Die Wiege Napoleons II.


Wiege des Herzogs von Reichstadt. Foto: Kunsthistorisches Museum WienDa ihm seine erste Ehefrau Josephine keinen Thronerben gebären konnte, heiratete Kaiser Napoleon Bonaparte am 11. März 1810 durch Ferntrauung die Erzherzogin Maria Ludovika von Österreich, Tochter von Kaiser Franz II./I. Ferntrauung bedeutet, daß Napoleon bei der Zeremonie in der Augustinerkirche nicht anwesend war, sondern durch einen Stellvertreter repräsentiert wurde - übrigens ausgerechnet durch Erzherzog Karl, der Napoleon ein Jahr zuvor in der Schlacht bei Aspern eine empfindliche Niederlage beigebracht hatte!

Das politische Kalkül hinter dieser Eheschließung war auf Seiten Napoleons die Festigung der Legitimation seines Kaiserreiches, auf Seiten Österreichs die Absicherung der politischen Interessen Habsburgs. Außerdem erhoffte sich Napoleon sehnlich einen männlichen Erben, und dieser Wunsch wurde ihm erfüllt: am 20.3.1811 schenkte Maria Ludovika - inzwischen allgemein "Marie Louise" genannt - einem gesunden Knaben das Leben, der auf den Namen Napoleon Franz Karl getauft wurde.

Bereits am Tag seiner Geburt verlieh Napoleon seinem heißersehnten Sohn den Titel eines Königs von Rom, der Volksmund nannte ihn "l'Aiglon" - den "Sohn des Adlers". Nach den Niederlagen Napoleons und seiner endgültigen Verbannung ins Exil sprach der Wiener Kongreß Napoleons Sohn den Titel eines Herzogs von Reichstadt zu. Interessant ist, daß Napoleon Franz Karl bis heute in unterschiedlichen Sprachen unter unterschiedlichen Namen bekannt ist: Während die Franzosen hauptsächlich vom "Aiglon" sprechen, kennen die Italiener eher den Titel "König von Rom" - und im deutschen Sprachraum hat sich nur der Titel des Herzogs von Reichstadt durchgesetzt, vermutlich infolge der politischen Sprachregelung nach dem Wiener Kongreß.

Wie auch immer, die Geburt des Thronerben war für Kaiser Napoleon jedenfalls ein Grund zu großer Freude, und der von ihm beherrschte Teil Europas feierte ausgiebig mit. Die Stadt Paris schenkte der Kaiserin Marie Louise aus diesem Anlaß eine Thronwiege für den Knaben, zu deren Herstellung über 280 kg Silber verarbeitet wurden. Das ikonographische Programm des Wiegenbetts verherrlicht die Regierung Kaiser Napoleons und drückt die großen in seinen Sohn gesetzten Hoffnungen aus:

  • Die Wiege ruht auf Füllhörnern, Symbole der guten Regierung und des Überflusses
  • Stärke und Gerechtigkeit werden durch zwei kleine Engel dargestellt
  • An allen Seiten ist die Wiege mit Bienen besetzt, welche zum Einen den Fleiß der Bürger von Paris symbolisieren und zum anderen das persönliche Emblem von Kaiser Napoleon waren
  • An der einen Seite des Bettes sieht man - in Anspielung auf den Königstitel des Knaben - die legendäre Wölfin von Rom, an der anderen Seite die Flußgöttin der Seine als Ausdruck der Verbundenheit der Stadt Paris mit Napoleon Franz Karl
  • Eine Siegesgöttin krönt die Wiege mit je einem Lorbeer- und einem Sternenkranz. Der Lorbeerkranz erinnert an die französische Kaiserkrone, mit der Napoleon sich selbst gekrönt hatte. Der Sternenkranz steht für den Ruhm, den Frankreich unter Napoleons Herrschaft erlangt hat.
  • Der größte Stern im Kranz trägt ein "N" für "Napoleon", der zu seiner Zeit der hellste Stern am Firmament Frankreichs war, und zu diesem Stern blickt am Fuße des Bettes ein kleiner Adler auf, der noch nicht fliegen kann. Hier kommt der Wunsch zum Ausdruck, Napoleon Franz Karl möge eines Tages ebenso großen Ruhm erringen, wie dies seinem Vater gelungen war.

Weitere interessante Details zur Wiege von Napoleon Franz Karl erzählen Ihnen unsere Experten im Zuge von Schatzkammer Führungen, mehr aus dem Leben von Napoleon Franz Karl erfahren Sie außerdem bei Führungen durch Schloß Schönbrunn, wo der Erbe Kaiser Napoleons am 22. Juli 1832 verstarb.